KONZEPT.

Konzept.Outreach

KONZEPTIONELLE ECKPUNKTE DER MOBILEN JUGEND(SOZIAL)ARBEIT VON OUTREACH

Mobile und sozialräumlich orientierte Jugendarbeit ist ein Konzept, das unterschiedliche Ansätze und Methoden in der Jugendarbeit miteinander verknüpft und damit zu einem neuen und eigenständigen Ansatz in der Jugendarbeit in Berlin beigetragen hat.

Mobile Jugendarbeit bedeutet in erster Linie eine praktische Hinwendung zu den Orten, an denen sich Jugendliche tatsächlich aufhalten. Das sind Parks und Straßen oder allgemein gesprochen: der öffentliche Raum. Sozialraumorientierung in der Jugendarbeit meint eine Konzentration auf den Nahbereich der Jugendlichen, oder besser: den Wohnbereich, die Nachbarschaft, den Kiez.

Zwischen Krisenintervention
und ergänzendem Angebot
der Jugendhilfe?

Die Zielgruppen, mit denen wir es zu tun haben, sind vielfältig zusammengesetzt und verfügen über die unterschiedlichsten Hintergründe und Erfahrungen. Diese Diversität spiegelt die Lebensrealität in Berlin wider. Gemeinsam ist der Mehrzahl der Jugendlichen, mit denen Outreach arbeitet, dass sie von unterschiedlichen gesellschaftlichen Benachteiligungen und individuellen Beeinträchtigungen betroffen sind. 

Die ungleichzeitige sozioökonomische Entwicklung der Stadtteile Berlins führt häufig dazu, dass sich unter bestimmten Aufwachsensbedingungen auch die Zukunftschancen für Jugendliche schwierig gestalten können. Sie sind von dieser Gentrifizierung in besonderer Art und Weise betroffen. Diejenigen, die in Sozialräumen aufwachsen, die als belastet bezeichnet werden können, haben es schwer, eine positive Lebensperspektive zu entwickeln. Wie sollen sie auch, wenn sich die objektiven Bedingungen um sie herum immer mehr verschlechtern: ihre Chancen im Bildungssystem oder auf dem Arbeitsmarkt.

Jugendarbeit kann in diesen Sozialräumen weder mit falschen Versprechungen noch durch Verharmlosung zur Veränderung der schwierigen Lebensverhältnisse beitragen. Sie kann aber sehr wohl auch hier Arrangements herstellen, in denen es sowohl individuell als auch kollektiv gelingt, neue und positive Erfahrungen zur Lebensbewältigung und Problemlösung zu sammeln. 

Die Beachtung der Unterschiedlichkeit der lokalen Kontexte in den verschiedenen Sozialräumen Berlins führt dementsprechend auch zu unterschiedlicher Ausprägung des Ansatzes.

"Hilf dir selbst, sonst hilft dir ein Sozialarbeiter" - vom Paternalismus zur Partizipation.

Nach wie vor herrscht in der Berliner Jugendarbeitslandschaft die Tendenz der „Komm-Struktur“ vor. Sie hat sicher dort ihre Berechtigung, wo Energien und Ressourcen gebündelt werden müssen, um qualitativ gute Angebote zu entwickeln. Dennoch ist festzustellen, dass die Konzentration auf dieses Paradigma alleine auch Ausgrenzungsrisiken in sich birgt.

Insgesamt können wir beobachten, dass nicht nur die Zahl der Jugendlichen wächst, die durch die bestehenden Angebote der Jugendarbeit nicht erreicht werden, sondern dass diese Gruppe auch keine anderen Angebote wahrnimmt oder wahrnehmen kann. Die Erreichbarkeit einer immer größer werdenden Gruppe von Jugendlichen ist deshalb eine der Herausforderungen, vor der die Jugendarbeit steht. Parallel dazu lässt sich seit langem in den Jugendeinrichtungen eine Tendenz der sozialen Entmischung feststellen, die sich in den vergangenen Jahren noch beschleunigt hat.

Gemeinsam in Bewegung
setzen.

Die Jugendeinrichtungen finden sich in diesem Prozess zunehmend in der Rolle der „Versorger der sozial am weitesten Ausgegrenzten“ wieder. Nach wie vor hält sich die Mehrzahl der Jugendlichen in ihren Wohngebieten auf. Die Orte, an denen sie sich treffen, sind häufig Parks, Einkaufscenter, Straßen, ganz allgemein der „öffentliche Raum“. Outreach wendet sich diesen Jugendlichen zu, holt sie dort ab, wo sie stehen, akzeptiert ihre selbst gewählten Treffpunktstrukturen. Als adäquate Zugangsmethode wählen wir aufsuchende Arbeit/Streetwork. 

Gemeinsam mit den Jugendlichen setzen wir uns in Bewegung, sowohl wörtlich als auch im übertragenen Sinne. Wir legen Wert darauf, dass unser Ansatz nicht „grenzenlos“ ist, sondern sich am Wohnumfeld der Jugendlichen, ihrem Sozialraum oder Kiez, orientiert. Neben der Überwindung der reinen Komm-Struktur kommt es uns darüber hinaus darauf an, die jungen Menschen auch an den Prozessen, die sie im Stadtteil betreffen, zu beteiligen.

Ressourcen sichern - Räume schaffen.

Wir beobachten in fast allen Stadtteilen, in denen wir tätig sind, einen gestiegenen Bedarf nach Räumen. Mobile Jugendarbeit reagiert auf diesen Bedarf in besonderer Art und Weise: Neue (Nutzungs- und Erfahrungs-)Räume für Jugendliche sind schon per se eine Verbesserung für die Infrastruktur im Stadtteil, ihr pädagogischer „Wert“ wird allerdings erst dann hergestellt, wenn er den Jugendlichen tatsächliche Verfügungsmöglichkeiten einräumt. Daher ist die Erschließung neuer Ressourcen kein Selbstzweck, sondern macht u.E. nur Sinn, wenn sie verknüpft ist mit Modellen, die ein Mehr an Eigenverantwortung, Verselbständigung und Emanzipation bedeuten. Die Verzahnung von aufsuchenden und stationären Angeboten hat sich hier als ein sehr hilfreiches Konzept erwiesen, insbesondere wenn es darum geht, die Jugendlichen, die sich öffentlichen Raum aufhalten, zu erreichen und mit ihnen Möglichkeiten der „Raumaneignung“ zu entwickeln.

Die zu erschließenden Ressourcen müssen dabei nicht immer eigene und neue Projekte sein, sie können auch in bestehenden Institutionen (etwa Jugendeinrichtungen) die „Erfahrungsräume“ für Jugendliche aus dem öffentlichen Raum erweitern.

Vom Fall zum Feld -
Nachdenken über Methoden

Um die formulierten Ziele zu erreichen bedarf es u.E. eines breiten Methodenrepertoires. Breite darf hier allerdings nicht mit Beliebigkeit verwechselt werden. Ein ganzheitliches Methodenverständnis basiert eher auf der Erkenntnis, dass ein „Methodendogmatismus“ den komplexen Lebenslagen der Jugendlichen nicht gerecht wird.Dennoch lassen sich die einzelnen Methoden exakt bestimmen. Im Ansatz der mobilen Jugendarbeit unterscheiden wir etwa Einzelfallbegleitung, Gruppen- und Projektarbeit sowie Straßensozialarbeit und Gemeinwesenarbeit. Entscheidend ist das Verhältnis, in dem die Methoden zueinander stehen. Ganzheitliche Methodenbetrachtung bestimmt dieses Verhältnis als dynamisch und als Antwort auf die jeweils gestellten Herausforderungen vor Ort. Darüber hinaus verfolgen wir das Ziel, jeden methodischen Schritt unter dem Gesichtspunkt zunehmender Verselbständigung der Zielgruppen zu betrachten. Dies gelingt umso eher, je mehr die Feldvariablen in einem Stadtteil berücksichtigt werden.

Konfliktorientierung.

Die Artikulation und Durchsetzung von Interessen von Jugendlichen innerhalb der einzelnen Stadtteile verläuft selten konfliktfrei. Der Ansatz der mobilen und sozialraumorientierten Jugendarbeit muss sich dementsprechend auch mit den auftretenden Konflikten auseinandersetzen.
Konfliktorientierung bedeutet in unserem Verständnis, mitzuhelfen, den Interessen der Jugendlichen im Stadtteil Gehör zu verschaffen. Man könnte dies als anwaltschaftliche Moderation bezeichnen. Das heißt, dass wir mit dazu beitragen, die verschiedenen Akteure im Stadtteil miteinander ins Gespräch zu bringen, wobei für uns die Interessen der Jugendlichen im Vordergrund stehen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass wir stellvertretend für sie ihre Interessen versuchen durchzusetzen.

Bei konfligierenden Interessen zwischen unterschiedlichen Jugendgruppen haben wir gute Erfahrungen mit dem Einsatz von Mediationstechniken gemacht, mit deren Hilfe wir dazu beitragen konnten, friedliche Einigungen zwischen den Gruppen zu erzielen. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang, dass in der Regel der Kontakt von Outreach zu allen beteiligten Konfliktparteien besteht. Im gerechten Aushandeln von Nutzungsvereinbarungen etwa, von nie genug zur Verfügung stehenden Ressourcen, kann Outreach eine vermittelnde Rolle übernehmen, in der gemeinsam mit allen Beteiligten nach adäquaten Lösungen gesucht wird.

Wir grenzen uns damit sowohl vom Konzept der dogmatischen Parteinahme auf der einen Seite, als auch von Moderationsansätzen, denen es ausschließlich um eine „interessenlose“ Einigung im Konfliktfall geht, ab.

In diesem Sinne ist Konfliktorientierung ein konstitutiver Bestandteil der Programmatik des Ansatzes. Der Gegensatz von Krisenintervention und ergänzendem Angebot der Jugendhilfe stellt sich also nicht; denn obwohl sich Outreach nicht als „Sozialraumfeuerwehr“ begreift, verschließt es sich nicht den aktuell im Sozialraum auftretenden Konflikten.